
Ich bin Stolz auf das gemeinsam im Team Erreichte
Interview mit Geschäftsführerin Claudia Groot
Claudia Groot, die Geschäftsführerin und akademische Leiterin des Salem Kolleg, spricht im Interview über ihre Erfahrungen der letzten zehn Jahre am Salem Kolleg.
Frau Groot, herzlichen Glückwunsch zum 10-jährigen Bestehen des Salem Kolleg Orientierungsjahres. Wie fühlen Sie sich angesichts dieses Meilensteins? Vielen Dank! Ich bin stolz auf das gemeinsam im Team Erreichte und sehe gleichzeitig noch viele spannende Aufgaben und Herausforderungen vor uns liegen. Es ist schon etwas unwirklich, dass wir uns im 10. Jahrgang befinden. Ähnlich, wie die Kollegiatinnen und Kollegiaten das Kollegjahr selbst oft beschreiben: Einerseits fühlt es sich an, als hätte das Jahr gerade erst begonnen und andererseits ist so vieles geschehen und es hat so viel Entwicklung stattgefunden, dass es im positivsten Sinne fast wie eine Ewigkeit erscheint.
Für diejenigen, die das Kolleg noch nicht kennen: Worum geht es am Salem Kolleg? Was sollen die Kollegiatinnen und Kollegiaten lernen und nach dem Jahr für sich mitnehmen? “Erleben. Verstehen. Entscheiden.“, darum geht es im Wesentlichen. Die Kollegiatinnen und Kollegiaten erleben sich in einer besonderen Gemeinschaft in immer wieder neuen Situationen und Herausforderungen, ganz gleich, ob akademisch oder sozial. Sie verstehen, was es bedeutet, Natur-, Gesellschafts- oder Geisteswissenschaften zu studieren und werden von unseren Dozierenden herausgefordert, sich intensiv mit den Inhalten auseinanderzusetzen, ihr Studienfeld zu finden und sich auf das bevorstehende Studium vorzubereiten. Sie lernen sich selbst, ihre Begabungen und Werte sowie ihre Persönlichkeit noch besser kennen und bauen ihre Fähigkeiten zur Verantwortungsübernahme, für sich, ihre Mitmenschen und künftige Generationen, weiter aus. Sie entscheiden, welchen Weg sie gehen und welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen wollen.
Was ist der Schlüssel zum Erfolg des Salem Kolleg? Allen voran die Gemeinschaft der Kollegiatinnen und Kollegiaten, die jedes Jahr zu uns kommen und sich motiviert auf diese Reise begeben. Ohne sie und die Bereitschaft, sich auf dieses besondere Gemeinschaftserleben einzulassen und dabei immer wieder über sich selbst hinauszuwachsen, ganz gleich wie herausfordernd das mitunter sein kann, wäre das alles nicht möglich. Und natürlich auch, dass die Organisation selbst sich ständig weiterentwickelt, Herausforderungen als Chance begreift und den Mut hat, neue Wege zu gehen, ohne dabei das Fundament der Salemer Werte aus dem Blick zu verlieren.
Können Sie uns einen Einblick in Ihre (berufliche) Laufbahn geben, wie Sie zu Ihrer aktuellen Position gekommen und seit wann Sie Teil des Salem Kolleg sind?
Nach dem Abitur habe ich, motiviert durch eine schwere Erkrankung in der Jugend, zunächst Medizin studiert. Ich musste jedoch schnell feststellen, dass der Mensch mit seinem Erleben und Verhalten mich in solch einer Ganzheitlichkeit interessiert, dass ich mich nicht auf Medizin allein beschränken wollte. Darüber hinaus stellte die tägliche Konfrontation mit der Krankheit anderer Menschen eine größere Herausforderung für mich dar, als ich das zunächst annahm. Mich dann gegen dieses Studienfach zu entscheiden, war nicht leicht. Ich war die Erste in der Familie, die studierte, hatte Sorge mein Stipendium der Studienstiftung zu verlieren und sah von allen Seiten, besonders jedoch von mir selbst, große Erwartungen an mich gestellt. Leider habe ich damals keinen direkten Zugang zu Beratung gehabt respektive gesucht. Doch einen Studiengangwechsel gut zu verarbeiten, als wertvolle Erfahrung innerhalb der Bildungsbiographie zu sehen und letztlich als Berufung zu begreifen, ist herausfordernd und gelingt retrospektiv viel besser: Heute klingt es fast wie ein roter Faden – selbst das eigene Studium frühzeitig gewechselt, seit der Jugend in der Kinder- und Jugendarbeit engagiert, über das Studium der beruflichen Bildung im Bachelor und die Erwachsenenbildung und Weiterbildung im Master ins Bildungsmanagement gelangt, begleite ich seit nunmehr 10 Jahren Abiturientinnen und Abiturienten auf ihrem Weg in ihre Zukunft. Nach Gründung der Salem Kolleg gGmbH 2012 erhielt ich von einem für mich sehr wichtigen Mentor einen Anruf, ob ich mir vorstellen könnte, gemeinsam mit dem Gründungsrektor Dr. Gerhard Teufel und dem Gründungsgeschäftsführer und Wirtschaftsleiter der Schule Schloss Salem, Christian Niederhofer, die durch den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Professor Robert Leicht geborene Idee des Salem Kollegs zu realisieren. Dies haben wir dann ab Januar 2013 tatkräftig verfolgt und waren selbst überwältigt, im September mit 22 Kollegiatinnen und Kollegiaten den ersten Jahrgang starten zu können. Es folgten viele herausfordernde Jahre, in denen wir an der Bekanntheit und Akzeptanz des Kollegs arbeiteten und diese kontinuierlich steigern konnten.
Was sind Ihre wichtigsten Verantwortungsbereiche als Geschäftsführerin und akademische Leiterin am Salem Kolleg? Das ist eine gute Frage. Orientiert man sich an der Stellenbezeichnung sind es die Führung der Geschäfte wie Budgetverantwortung und Reporting gegenüber dem Aufsichtsrat sowie die Weiterentwicklung des Programms. Doch das ist nur ein Ausschnitt meiner Tätigkeiten. Meine tagtäglichen Aufgaben reichen dabei von der Beratung der Kollegiatinnen und Kollegiaten im Rahmen der Studien- und Berufsberatung, unseres “Life Design Coachings”, über Themen des Marketings, Führung meines Teams, Kooperation mit der Schule Schloss Salem hin zu Elternarbeit sowie situativem Krisenmanagement, was besonders in den Jahren der “Covid -19” Pandemie eine herausfordernde Aufgabe darstellte.
Was ist Ihnen bei der Förderung und Entwicklung der jungen Erwachsenen am wichtigsten?
Auch wenn es abgedroschen klingen mag, ist es der ganzheitliche Blick auf die Individuen. Unser Programm bietet die einzigartige Chance, unsere Kollegiatinnen und Kollegiaten in allen Fragestellungen des Lebens zu begleiten, sodass sie die idealen Bedingungen haben, sich für ihren weiteren Lebensweg auszurichten. Nicht selten höre ich in der Beratung die Antwort “das hat mich noch nie jemand gefragt“ oder, “darüber habe ich noch nie nachgedacht”. Wir arbeiten bereits zu Beginn der beruflichen Laufbahn an Themen und Fragestellungen, denen sich viele Menschen erst viel später durch Krisen oder Brüche stellen. Wir ermutigen die Kollegiatinnen und Kollegiaten, persönliche Überzeugungen hinsichtlich ihres Ursprungs und Einfluss auf ihr Handeln zu hinterfragen. Dies geschieht besonders durch das Zusammenleben am Campus. Nahezu ausnahmslos beschreiben unsere Teilnehmenden, dass sich ihr Blick auf die Welt durch die intensive Auseinandersetzung mit sich und den anderen stark verändert und erweitert hat.
Was ist Ihrer Meinung nach die bedeutsamste Errungenschaft, die das Salem Kolleg in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat? Dass es gelungen ist, dieses in seiner Art einzigartige Bildungsprogramm am Markt zu etablieren. Aber vor allem: Über 350 Kollegiatinnen und Kollegiaten, die ihren ganz eigenen Weg gefunden haben und den Herausforderungen ihres Lebens und unserer Zeit jeden Tag in kreativer, mutiger und verantwortungsvoller Weise begegnen.
Das Salem Kolleg kann auf ein zehnjähriges Bestehen zurückblicken. Wie hat sich das Salem Kolleg Orientierungsjahr im Laufe der Jahre verändert? Das Salem Kolleg hat sich seit Gründung enorm weiterentwickelt und das besonders auch durch die Kollegiatinnen und Kollegiaten selbst sowie Alumni und neue Teammitglieder. In der Konzeption bauen wir immer stärker auf die individuelle Beratung hinsichtlich der Zukunftsentscheidung und Persönlichkeitsentwicklung. Seit 2019 setzten wir hierbei stark auf das “Life Design Coaching”, das durch seinen Design Thinking Ansatz die ideale Methodenbeschreibung und -erweiterung dessen darstellt, was wir in den letzten Jahren kontinuierlich aufgebaut haben. Darüber hinaus greifen die einzelnen Programmbestandteile immer mehr ineinander, sodass ein ganzheitlicher Blick auf den Entwicklungsprozess der Teilnehmenden gelingt. Mehr als in den ersten Jahren nehmen die Potenzialanalysen heute Einfluss auf die Programmgestaltung, wie beispielsweise die Gruppenkonstellationen innerhalb der Outdoor-Exkursionen oder auch die gezielte Förderung einzelner Teilnehmer. Darüber hinaus sind die Kollegiatinnen und Kollegiaten immer mehr gefordert, den eigenen Entwicklungsprozess zu durchdenken, zu dokumentieren und mit ihrer Beraterin zu reflektieren. Dies zeigt einerseits motivationale Wirkung und führt andererseits zu einem erhöhten Bewusstsein sowie zur Stärkung der Selbstwirksamkeit. Auch die Alumni sind mittlerweile noch intensiver in den Beratungsprozess eingebunden. Schon immer dienten sie den nachfolgenden Kollegiatinnen und Kollegiaten als Ansprechpartner für ihre Studienfächer und Studienorte. Eine positive Weiterentwicklung dessen ist nicht zuletzt durch die “Covid-19“ Pandemie entstanden. Heute laden wir regelmäßig Alumni ein, per Videokonferenz ihr Studienfach gleich für mehrere Kollegiatinnen und Kollegiaten vorzustellen. Was zuvor mit einem größeren logistischen Aufwand verbunden war, kann nun ohne Reiseaufwand in kürzester Zeit bedarfsorientiert realisiert werden.
Wie haben Sie das Salem Kolleg geführt, um auf die sich verändernden Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie der Gesellschaft zu reagieren?
Auf jeden Fall immer mit großer Leidenschaft, was für die Kollegiatinnen und Kollegiaten sowie mein Team sicher nicht immer ganz einfach war, besonders während der “Covid-19“ Pandemie. In der Hochphase der Pandemie habe ich besonders hohe Anforderungen und Erwartungen an unsere Dozierenden, das gesamte Team und vor allem an die Kollegiatinnen und Kollegiaten stellen müssen. Tägliche Testungen, weitestgehende Abschottung nach Außen, Zusatzprogramm, um die Gruppendynamik und Stimmung positiv zu beeinflussen und nicht zuletzt die Durchführung des Sommerkollegs 2020 und 2021 gegen alle Widrigkeiten. Auch wenn die Maßnahmen und Entscheidungen es nicht immer direkt vermuten ließen, stand für mich jederzeit das Wohlergehen der Kollegiatinnen und Kollegiaten sowie der Weiterbetrieb des Kollegs im Vordergrund. Nur wenige Wochen der Gesamtzeit mussten wir komplett auf digitale Lehre und Beratung übergehen. Das gute Gelingen habe ich vor allem der Flexibilität meiner Dozierenden und Kolleginnen und Kollegen zu verdanken. Bereits Tage vor Beschluss der Schließung von Schulen und Bildungseinrichtungen im März 2020 haben wir auf digitale Lehre umgestellt, sodass uns nicht ein Tag Lehre verloren ging. Dem Mut und der Kreativität der gesamten Salemer Gemeinschaft inklusive der Eltern haben wir zu verdanken, dass im weiteren Verlauf der Pandemie das Campusleben in Präsenz realisiert werden konnte. Heute ist das Ganze wieder so weit in den Hintergrund gerückt, dass die Erinnerung daran fast wie eine Art Science-Fiction Film wirkt.
Welche Situationen während Ihrer Zeit am Salem Kolleg sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? Es sind besonders jene, in denen wir an-, miteinander und über uns hinausgewachsen sind. Die stolzen Gesichter der Kollegiatinnen und Kollegiaten nach den herausfordernden Outdoor-Exkursionen. Intensive Momente innerhalb der Beratungen. Der Brief einer Kollegiatin, in dem sie beschrieb, durch die Beratung gelernt zu haben, sich selbst zu lieben. Es gibt unzählige weitere Beispiele. Aber vor allem auch die letzten Wochen eines jeden Kollegjahres und die jährlichen Abschlussfeiern. In dieser besonderen und emotionalen Zeit wird die Entwicklung jedes Einzelnen so deutlich, sei es innerhalb der dritten Outdoor-Exkursion oder der Theaterproduktion, die dann am Abend des Abschlussfestes nochmal alles Talent und Potenzial manifestiert.
Wofür sind Sie dankbar? Dafür, dass die Eltern, Verwandten, Förderer und der Internatsverein der Schule Schloss Salem e.V. an diese Bildungsinnovation geglaubt haben, weiterhin glauben und somit den Kollegiatinnen und Kollegiaten diese wunderbaren Erfahrungen bereits ermöglicht haben und auch künftig ermöglichen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Dass wir uns weiter treu bleiben und dennoch nie aufhören, Innovationen zu wagen und kontinuierlich voranzutreiben. Vor allem jedoch, dass wir auch weiterhin möglichst vielen Interessierten diese besondere Erfahrung des Orientierungsjahres am Salem Kolleg ermöglichen können. Damit dies gelingt, ist es notwendig, neue und langfristige Förderer zu finden, welche die Idee des Salem Kolleg unterstützen und einen Beitrag zu unserem Stipendienfonds leisten. Nur so war es uns in den letzten Jahren möglich, eine Vielzahl an Stipendien zu vergeben.

Claudia Groot Geschäftsführung,
Akademische Leitung &
Laufbahnberaterin
Tel: + 49 7553 919-615
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